Herbst des Lebens - eine positive Sicht

Der zweite Vortrag von Herrn Paul Reiner Zeck zum 10-jährigen Jubiläum der Ökumenischen Hospizinitiative im Landkreis LB e.V. lockte dieses Mal 43 Zuhörer in das Albert-Knapp-Heim.

Bereits in bewährter Weise, nämlich den Vortrag mit Gedichten und Musikbeispielen zu unterbrechen, um innezuhalten und das Gehörte nachklingen zu lassen, führte Herr Zeck das Thema "Herbst des Lebens - eine positive Sicht" wie folgt aus:

Er vergleicht die Jahreszeit mit der Lebensphase und stellte dabei fest, dass Kinder und Jugendliche immer öfter davon sprechen, dass sie um den Frühling ihres Lebens betrogen werden, - so ist es genauso Fakt, dass sich der Herbst des Lebens an Lebensjahre in der Regel immer mehr ausdehnt. Gleichwohl kann er von Krankheiten und zunehmender Pflegebedürftigkeit überschattet werden.

Vergleich des Herbstes in der Natur und des Herbstes im Leben:

1. Die Früchte sind gereift, das Korn ist geerntet

Bedrohungen können der Ernte nichts mehr anhaben, denn sie ist sicher in den Scheunen geborgen. Spannungen, Verantwortung, Karriere und das sich behaupten müssen im Beruf sind vorbei. Egal was man erreicht hat im Beruf, jetzt fällt es weg, jetzt kann man leben und die Leichtigkeit des Seins erleben. Dadurch, dass die beruflichen Zwänge wegfallen, kann eine neue Ordnung gefunden werden. Freiheit von Pflichten wird erlebt.

 

Neuen Aufgaben kann man sich widmen und Andere an der neu gewonnen Freiheit teilhaben lassen (solange körperliche wie geistige Kräfte dies zulassen). Noch findet der positive Rückblick statt, man sieht das Vergangene, das wertvoll geborgen in den vollen Scheunen liegt, man sieht nicht nur das abgeerntete Stoppelfeld. Die Ernte wird eine weitere Generation prägen, sie werden sich an dem Eingefahrenen in den Scheunen bedienen, so wie wir es von der Generation vor uns auch getan haben.

Der ganze Herbst ein Erntedankfest - wir können zusammenfassend sagen: Wir werden freier und dürfen für die Ernte danken, die geborgen ist.

2. Neue Schönheit entsteht aus der Ruhe

Die Schönheit kommt, da mehr Ruhe einkehrt. Dadurch, dass den Blättern die Nährstoffe entzogen werden, verfärben sie sich und werden so schön bunt.

 

Auch in der Lyrik beschäftigte die Dichter die Ruhe und Stille des Herbstes mehr, als die Herbststürme. Schauen, lauschen und nachsinnen, das ist in dieser Ruhe nun möglich, denn die Bewegungen werden ohnehin langsamer und beschaulicher. Dies bildet einen Gegenpol zu der sonstigen Hetze des Lebens, und das innere Anreichern hat nun Vorrang gegenüber den körperlichen Aktivitäten.

Zur Ruhe kommen mit wachen Sinnen, das lässt uns ankommen.

Erst wenn ein Gewässer ganz ruhig ist, spiegelt sich der Himmel im Wasser - erst wenn wir ganz ruhig sind, können wir Schönes entdecken und widerspiegeln.

Die Pracht der Herbstlandschaft bleibt allerdings nicht. Aber ist es nicht zuvor wie ein prächtiges Abschiedsfest?

"Das Schöne zieht aus der Vergänglichkeit seine Pracht", so sagt es Hermann Hesse.

Neuer Reichtum entsteht also durch Ruhe, durch lauschen und schauen.

3. Die Blätter fallen und werden aufgefangen

Sie fallen leise, die Blätter, oder werden vom Sturm heruntergefegt und abgerissen. Die Bäume können sie nicht halten, sie müssen sie loslassen. Wenn wir diese Tatsache bejahen, ist es gut.

 

Blätter versperren nämlich auch den Blick auf den Baum, seine Verästelungen und den Durchblick zum Himmel.

Auch wir erreichen Weitblick durch das, was uns genommen wird. Der Blick auf das große Ganze ist erst jetzt möglich.

Die Blätter fallen nicht ins Unendliche, Bodenlose, sondern sie werden aufgefangen und werden vom Boden getragen und es entsteht neues Leben.

Aus dem Sterben entsteht etwas Neues. So ist es immer! Im ganzen Leben und erst recht im Sterben. Der christliche Glaube erwartet danach viel!

Wir erlangen also durch die fallenden Blätter Durchsicht, Weitsicht und wissen uns aufgefangen. Die Herbstnebel lösen sich nun nicht mehr auf, und sie trennen alles.

Eigentlich sind wir immer einsam, aber nun wird es offensichtlicher als bislang in anderen Lebensphasen.

Vieles wird genommen, was uns vertraut war, die Verlässlichkeit auf unseren Körper, evtl. steht ein Ortswechsel an (Einzug in ein Pflegeheim) und vertraute Mitmenschen sterben.

4. Im spätherbstlichen Nebel wächst Einsamkeit und Gemeinsamkeit

Alle Bäume haben nun eines gemeinsam: Die Blätter und Früchte sind ihnen genommen.

 

Soziale Schichten und Status, geistiges Wissen, ? nähert sich immer mehr einander an bis der "eine Gleichmacher" kommt.

Die Gemeinsamkeit ist, wir sterben alle und sind dem schon nahe. Darin liegt auch ein gewisses Maß an Trost. Könnten wir das früher bedenken, dann würden Status und Karriere, ? eine andere Wertigkeit bekommen.

Somit können wir sagen, dass wir mit zunehmender Einsamkeit auch eine uns verbindende Gemeinsamkeit erleben.

Innere Freiheit können wir uns lange bewahren, auch dann, wenn körperliche Einschränkungen stärker oder ganz da sind.

Durch eine positive Sicht können wir zum Danken und zu einer heiteren Freude kommen.

Dankenwertes gibt es in jedem Leben, auch im Herbst, der uns kostbares Neues bringt.

 

Sabine Horn