Ich habe Lebensschmerzen

„Wo haben Sie Schmerzen?“ - „Ich habe Lebensschmerzen.“ Mit diesem Satz konfrontierte die Referentin Martina Henkelmann zu Beginn die Teilnehmer und machte den Pflegefachkräften immer wieder deutlich, dass sie zwar ein großes Wissen und viele Möglichkeiten im Umgang mit körperlichen Schmerzen haben, aber die anderen Dimensionen, die ebenso unser Menschsein ausmachen, viel zu oft nicht beachten und vernachlässigen. Gerade mit der klassischen Schmerzanamnese werden die körperlichen, sprich medizinisch behandelbaren Schmerzen abgefragt, doch nur wer genau zuhört, versteht, was der Schmerzpatient zwischen den Zeilen oder mit seinen Beschreibungen auch über sich als Persönlichkeit, als Mensch mit Seele und Geist, aussagt. Wie jede Kultur mit Schmerzen und Leiden unterschiedlich umgeht, wurde an verschiedensten Texten, die bearbeitet wurden, deutlich. Wir in unserer Kultur versuchen Schmerzen zu vermeiden, „wir bekämpfen sie“ und wir rationalisieren sie, „wir haben alles im Griff“. Doch die anderen Schmerz- Dimensionen des Menschen (soziale, psychische und spirituelle Dimension) lassen sich nicht mit einer Tablette oder Spritze in ihrer Ursache beheben. Und wir würden uns selbst belügen, wenn wir sagen, dass es diese Schmerzen nicht gäbe. Sie gehören zu jedem Leben und sind unvermeidbar. Warum also bekämpfen wir diese Tatsache so sehr? „Der trübe Tag ermöglicht mir erst das Genießen eines Sonnentages.“ Wenn diese Erkenntnis Raum gewinnt, dann hat auch ein trüber Tag seine Berechtigung. Natürlich sollen und müssen körperliche Schmerzen behandelt und therapiert werden. Aber der Schmerz von nicht gelebtem Leben ist einfach da und kann auch durch die beste Schmerztherapie nicht ungeschehen gemacht werden. Wie können Fachkräfte dies aushalten, dass sie Schmerzen nicht nehmen können? Sie können lindern, begleiten und als Mensch dabei sein, so das Fazit des Tages, und das ist manchmal schwer genug. Sabine Horn