Spaziergänge für Menschen in Trauer – ein Erfahrungsbericht

Es ist genau eine Woche vor Heilig Abend, nachmittags um 15:00 Uhr, wir stehen mitten im Park vom Kloster, umgeben von großen alten Bäumen, die schützend ihre Kronen über uns halten. Raus aus der Stadt, hier oben in Hoheneck ist es still - die kühle Luft weht eine Spur Frieden in unsere Herzen, die Nachmittagssonne glitzert auf dem Schnee und schenkt eindrückliche Winterbilder, die uns staunen lassen.

Wir sind froh heute her gekommen zu sein, den Schritt raus aus den eigenen Vier-Wänden gemacht zu haben, einander zu begegnen und zu teilen, was gerade bewegt. Wir, das ist heute, wie sonst auch eine bunte Runde. Die meisten von uns sind Menschen, die gerade um einen geliebten Menschen trauern, dazu kommen in Trauerbegleitung ausgebildete Ehrenamtliche und ich selbst als Hauptamtliche der Ökumenischen Hospizinitiative.

Wir haben uns gerade einander vorgestellt, oder bekannte Gesichter gegrüßt und nun geht es in Kleingruppen zum Spaziergang los, heute besonders achtsam auf den gefrorenen Wegen. Mich beeindruckt der respektvolle Umgang miteinander. Klar ist: was hier erzählt wird, werden keine weiteren Ohren hören; welche Gefühle hier gezeigt werden, sie dürfen da sein und wir halten sie miteinander aus; wir sprechen über unsere eigenen persönlichen Erfahrungen; hören wie andere ihren Trauerweg gestalten; probieren vielleicht das ein oder andere Gehörte selbst einmal aus; und wissen, jeder der hier ist, hat eine Vorstellung von dem was mir da gerade wiederfährt. Trauer ist ganz individuell. Das wird schnell klar. Bei jedem ist es doch wieder ein Stückchen anders und zugleich gibt es ähnliche Themen, die beschäftigen. Es sind Menschen da, die haben erst vor kurzem einen Zugehörigen verloren und bei anderen ist der Trauerweg bereits etwas länger.

Und dann ist es auch schon 16:30 Uhr. Heute, so richtig mitten im kalten Winter, beenden wir unsere Spaziergänge dann doch eine halbe Stunde früher als sonst. Am Parkplatz verabschieden wir uns und der ein oder andere verabredet sich direkt zum nächsten Spaziergang im Januar. Wie immer bin ich dankbar um die Gemeinschaft, die wir hatten; um die Nähe; das gemeinsame Lachen und Weinen; die Gesprächspausen, in denen all das inbegriffen ist, was einfach nicht gesagt werden kann. Noch einmal drehe ich mich um, schaue, ob alle gut ihre Heimreise angetreten haben und bin dankbar über das Leben.

Jessica Lange